Beschreibung:

Otto Reutter und die Zensur Reutter, Otto, gefeierter Kabarettist, genialer Autor und Komponist zahlloser Couplets, die ebenso wie seine Vortragsweise sogar Tucholskys Bewunderung erregten (1870-1931). Eigh. Brief m. U. "Otto Reutter". 4 S. Gr. 8vo. Breslau 28.XI.1909. An einen Variété-Direktor, wegen Reutters Repertoire für sein bevorstehendes Gastspiel. Sein Couplet über den Berliner Eulenburg-Skandal (Beschuldigungen gegen den Vertrauten des Kaisers wegen Homosexualität) sei von der Zensur beanstandet worden (vor jedem Auftritt mußten die Texte der örtlichen Zensurbehörde zur Genehmigung vorgelegt werden). "... Das Eulenburg-Couplet ist demnach gestrichen, denn die inhibirte Stelle ist das Rückgrat des ganzen Vortrages. Auch der 'Geburtstagsonkel' kommt zum Vortrag kaum noch in Frage, schon aus dem Grunde, weil er, wie ich mir nachträglich überlegte, für Ihr wertes Etabl. wenig geeignet ist, da das Auf- und Abbauen auf Ihrer Bühne sehr mit Schwierigkeiten verknüpft ist. Ich habe deshalb schnell zwei neue Vorträge fertiggestellt und hoffe, daß der Herr Censor die Freundlichkeit hat, die einliegenden Texte u. Nachträge möglichst schnell zu lesen und - zu erlauben, damit ich am Mittwoch bei meiner Ankunft bereits orientirt bin. Ich bin ja durch den strengen Rotstift des Censor's in diese Repertoir-Verlegenheit gekommen ... Ich darf Sie ... wohl bitten, die Texte möglichst sofort zur Polizei senden zu lassen ... Die Anfrage des Herrn Censor's, welche Gegenstände ich bei den Strophen zum König Leopold , König von Serbien u. Fürst von Montenegro vorzeige, beantworte ich dahin, daß ich bei Leopold ein Buch, 'Soll u. Haben' betitelt, vorweise, bei König v. Serbien zeige ich eine 'Abdankungsurkunde' u. für das Heer in Montenegro zeige ich ein Gewehr ...". - In Breslau wurde mir nachweislich Alles erlaubt - ich bekam die Censurhefte am letzten Tag zurück. Schade, daß ich das Eulenburg-Couplet nicht bringen kann - es ist wohl keine Hoffnung vorhanden? ...". - Gelocht und mit Eingangsstempel.